Eine Handreichung für die Verantwortlichen in katholischen Pfarrgemeinden
In seiner Enzyklika „Ut unum sint" schreibt Papst Johannes Paul II.: „Ich danke dem Herrn, dass er uns dazu angehalten hat, auf dem Weg der Einheit und der Gemeinschaft unter den Christen voranzuschreiten, der zwar schwierig, aber so reich an Freude ist" (UUS 2).(1)
Gleichzeitig macht das Ökumenische Direktorium darauf aufmerksam, dass „kein Christ und keine Christin (...) sich mit diesen unvollkommenen Formen der Gemeinschaft zufrieden geben (sollte). Sie entsprechen nicht dem Willen Christi und schwächen seine Kirche bei der Ausübung ihrer Sendung" (ÖD 19).(2)
Die Pfarrgemeinden sollen Orte authentischen, ökumenischen Zeugnisses sein (ÖD 67). Um hier der pastoralen Verantwortung gerecht zu werden, sollten die folgenden Anforderungen berücksichtigt werden.
I. Sich informieren
1. Voraussetzung für jegliches ökumenische Engagement ist entsprechende Kenntnis sowohl der Lehre und Ordnungen der eigenen Kirche als auch die der verschiedenen christlichen Gemeinden am Ort. Zu den Verantwortlichen in der Gemeindeleitung soll Kontakt aufgenommen werden. Ökumenische Erfahrungen sowie Anregungen zur Zusammenarbeit sollen im gegenseitigen Gespräch ausgetauscht werden.(3)
2. Sich mit zentralen ökumenischen Fragestellungen zu beschäftigen ist auch dort sinnvoll, wo ein/e Ansprechpartner/in einer anderen Konfession fehlt (ÖD 24).(4)
3. Die Ergebnisse der theologischen Dialoge ermutigen zum Weitergehen auf dem Weg zur sichtbaren Einheit der Kirche. Dazu müssen die Ergebnisse der Dialogdokumente aber bekannt sein. Deshalb gehört die Information darüber zum Grundprogramm ökumenischen Bemühens am Ort (z.B. in der Erwachsenenbildung).(5)
4. In den (Erz-)Bistümern leben Christinnen und Christen aus verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften. Deshalb darf sich die ökumenische Zusammenarbeit und Information nicht nur auf den kath./evang.-luth. Dialog und Kontakt beschränken. Ökumenische Fragestellungen erscheinen gerade in der Zusammenschau der verschiedenen christlichen Theologien in einem neuen Licht.(6)
5. In der Liturgie spiegeln sich in verdichteter Form theologische Überzeugungen der jeweiligen Kirche wider. Deshalb sollten die in den Nachbargemeinden für die Mitfeier der Gottesdienste notwendigen Bücher (z.B. Evangelisches Gesangbuch) vorhanden sein.
6. Die gegenseitige Information über Vorhaben wird dringend empfohlen. Zumindest der Austausch von Pfarrbriefen und Gemeindeblättern, eventuell sogar mit Gastseiten der ökumenischen Partnergemeinden, sollte selbstverständlich sein.(7)
7. Gegenseitige Information sollte auch die Fragen des Zusammenlebens einbeziehen, die als belastend empfunden werden oder empfunden werden können.
II. Einander begegnen und kennen lernen
1. Kontakte sind die Voraussetzung für den Abbau von Vorurteilen, für das Wachsen einer Vertrauensbasis und für eine überzeugende Darstellung des christlichen Zeugnisses in der Öffentlichkeit. Regelmäßige Kontakte sollten stattfinden:
- zwischen den Seelsorgern/innen der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften im jeweiligen Seelsorgebereich (z.B. Dekanat);
- zwischen den entsprechenden Gremien (auf Pfarrei-, Dekanats- und Diözesanebene), Gruppen
und Verbänden (z.B. durch Einladung eines/er Vertreters/in der ökumenischen Nachbargemeinde als
Gast, gemeinsame Sitzungen).
- Zu den in Bayern kleineren Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften lassen sich Kontakte oft am besten über die AcK in Bayern herstellen.(7)
2. Dringend empfohlen wird, dass in jedem Pfarrgemeinderat ein/e Ökumenebeauftragte/r ernannt wird (ÖD 67).
3. Den Pfarrgemeinden wird empfohlen, sich gegenseitig zu besonderen Veranstaltungen einzuladen und im Laufe eines Jahres auch solche gemeinsame durchzuführen.
4. Unerlässlich sind zwischenkirchliche Absprachen im Blick auf Veranstaltungen und Ereignisse der bürgerlichen Öffentlichkeit am Ort. Dabei muss darauf geachtet werden, dass vor Zusagen gegenüber den Veranstaltern die zwischenkirchlichen Klärungen und gegebenenfalls notwendigen Zustimmungen des Ordinariats erfolgt sind.(8)
5. Ökumenische Themen sollen fester Bestandteil der jeweiligen Konferenzen und Zusammenkünfte der Räte und der in der Seelsorge Tätigen sein.
6. Besonders wichtig ist die gemeinsame Beschäftigung mit der Bibel, z.B. Bibelkreise, Bibelsonntag(9), (Kinder-)Bibelwoche.
III. Miteinander beten(10)
1. „Ökumenische Wortgottesdienste sollten nach Möglichkeit fester Bestandteil des Lebens der Gemeinde werden".(11)
Möglichkeiten dazu bieten:
- Gebetswoche für die Einheit der Christen (18.-25. Januar(12) sowie in der Woche vor Pfingsten);
- Weltgebetstag der Frauen. Frauen aller Konfessionen laden ein (am ersten Freitag im März);
- Ökumenischer Kreuzweg der Jugend (am Freitag vor dem Palmsonntag);
- gelegentliche Schulgottesdienste;
- Gottesdienste in besonderen Situationen (z.B. Trauergottesdienste bei tragischen Ereignissen), zur Erinnerung an herausgehobene (ökumenische) Ereignisse, Einweihungen kommunaler Einrichtungen.
2. Schon die notwendige gemeinsame Vorbereitung vermittelt ökumenische Erfahrung. Es ist darauf zu achten, dass die Kirchen am Ort, die Mitglied der AcK in Bayern sind, in die Vorbereitung einbezogen werden.
3. Gemeinsame Gottesdienste können auch in der Form einer der beteiligten Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften gefeiert werden, z.B. als Vesper (ÖD 108-115.117).
4. Gegenseitige Besuche von Gottesdiensten dienen dem besseren Verständnis der Tradition der anderen wie der eigenen Kirche (ÖD 107.118).(13)
5. Ökumenische Fragen sollten auch in der Predigt, vor allem während der Gebetswoche für die Einheit der Christen, angesprochen werden. Gelegentlich kann das Messformular für die Einheit der Christen verwendet und in den Fürbitten sollte immer wieder für die Einheit der Christen gebetet werden.
6. An besonderen Ereignissen im Leben der nichtkatholischen Nachbargemeinden sollte Anteil genommen werden.
IV. Zusammenarbeiten(14)
1. Diakonisch-caritativer Bereich
Neben der Zusammenarbeit der kirchlichen Hilfswerke gibt es am Ort noch viele Bereiche, in denen ein Zusammenwirken möglich und angeraten ist (z.B. Kindergärten, Kranke, Alte, Menschen mit Behinderung, ausländische Mitbürger, soziale Brennpunkte).
2. Konfessionsverschiedene Ehen
Zahlreiche Hilfen und zwischenkirchliche Absprachen sind in den vergangenen Jahren erarbeitet worden. Hier sei nur auf einige wenige Aspekte verwiesen:
Für die kirchliche Trauung ist die „Ordnung der kirchlichen Trauung für konfessionsverschiedene Paare unter der Beteiligung der zur Trauung Berechtigten beider Kirchen" aus dem Jahre 1995 zu verwenden. „Wenn die Brautleute wünschen, dass Pfarrer beider Konfessionen bei der Trauung mitwirken, soll nach Möglichkeit diesem Wunsch entsprochen werden."(15) Ungerechtfertigte Verweigerung, Unfreundlichkeiten und Erschwernisse rufen bei den Betroffenen oft lebenslange Verwundungen im Verhältnis zur Kirche hervor.
Über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der theologischen wie rechtlichen Beurteilung der Ehe liegen Handreichungen für Seelsorger und für Paare vor.(16) Konfessionsverschiedenen Brautpaaren soll empfohlen werden, auch den zuständigen Seelsorger der anderen Konfession aufzusuchen. Dieser ist, nach Möglichkeit vorher, über die Eheschließung zu informieren, es sei denn, die Brautleute wünschen dies ausdrücklich nicht.
Von herausragender Bedeutung ist die Seelsorge an konfessionsverschiedenen Ehen und Familien.(17)
3. Religionsunterricht
Die Lehrpläne der verschiedenen Schularten sehen vermehrt die Möglichkeit ökumenischer Kooperation vor, die auch genutzt werden sollte.
4. Gegenseitige Hilfe
Im Bedarfsfall sollte es beispielsweise selbstverständlich sein, dass kirchliche Räume zur Verfügung gestellt werden. Bei Anfragen ist die Mitgliedschaft in der AcK in Bayern eine Hilfe zur Entscheidung. Die Mitgliedskirchen der AcK haben sich zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet. Auch Gottesdiensträume können einer anderen AcK-Mitgliedskirche, nach Rücksprache mit dem Ordinariat, im Sinne einer „Amtshilfe" für die Feier von Gottesdiensten zur Verfügung gestellt werden (ÖD 137).
5. Das gemeinsame Zeugnis der Kirchen
Dies zeigt sich nicht zuletzt in einer gemeinsamen öffentlichen Präsenz durch Besuchsdienste, Publikationen, Hinweisschilder und Informationsblätter, aber auch in der Zusammenarbeit bei lokalpolitischen Fragen.(18)
Lassen wir nichts unversucht, um miteinander zu bezeugen, was uns in Jesus Christus gegeben ist... Alle Schritte zur Mitte verpflichten und stärken uns zugleich, die notwendigen Schritte hin zu allen unseren Schwestern und Brüdern zu wagen.(19)
Die Freisinger Bischofskonferenz hat in ihrer Sitzung vom 16.– 18. März 2004 dieser Überarbeitung der Leitlinien aus dem Jahre 1982 zugestimmt und ihre Veröffentlichung empfohlen.
Würzburg, 3. September 2009
+ Friedhelm
Bischof von Würzburg
Veröffentlicht im Würzburger Diözesanblatt Nr. 18 / 2009
(1) Enzyklika Ut unum sint über den Einsatz für die Ökumene vom 25.5.1995 (Verlautbarungen des Apost. Stuhls Nr. 121). Abk. UUS.
(2) Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus vom 25.3.1993 (Verlautbarungen des Apostolischen
Stuhls Nr. 110). Abk. ÖD.
(3)S. auch Charta Oecumenica, II.3. Die Charta Oecumenica (CÖ) wurde am 22.4.2001 in Straßburg vom Rat der Europäischen Bischofskonferenzen
(CCEE) und der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) unterzeichnet und soll Grundlage der ökumenischen Zusammenarbeit in und für Europa sein. Zu beziehen bei der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (AcK) in Bayern oder in den Ökumenereferaten der (Erz-)Bistümer.
(4) Eine Hilfe können die Angebote der AcK in Bayern oder der jeweiligen lokalen AcKs sein. Die Mitgliedskirchen der bayerischen AcK haben gemeinsam eine kleine Konfessionskunde herausgegeben (Information über das jeweilige Selbstverständnis und theologische Grundlinien der einzelnen Kirchen). Zu beziehen bei der AcK in Bayern, Marsstraße 19, 80335 München, Tel. 089/54 8283-97, Fax -99.
(5) Als Beispiele aus dem deutschen ökumenischen Dialog seien genannt: Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament 1984, Communio Sanctorum Kirche als Gemeinschaft der Heiligen 2000; aus dem internationalen Dialog: Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1999; aus der europäischen ökumenischen Zusammenarbeit: CÖ 2001.
(6) UUS 50-63; ÖD 122-128; Apostolisches Schreiben ��Orientale Lumen�� von Papst Johannes Paul II. über den christlichen Osten.
(7) S. auch CÖ II.2.
(8) Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zu ökumenischen Gottesdiensten an Sonn- und Feiertagen vom 24.2.1994.
(9) Materialheft ?Bibelsonntag?, erhältlich bei der Deutschen Bibelgesellschaft, Postfach 810340, 70520 Stuttgart.
(10) S. CÖ II.5.
(11) Hirtenwort der deutschen Bischöfe vom 12.11.1979 und vom 24.2.1994.
(12) Jährlich kann das Materialheft beim Franz-Sales-Verlag, Eichstätt, bestellt werden.
(13) Zu beachten sind dabei die Bestimmungen des ÖD 102-136.
(14) S. auch CÖ II.4.
(15) Ständiger Rat der DBK, Sitzung vom 31.8.1981.
(16) Für Seelsorger: Konfessionsverschiedene Ehe. Eine Verstehens- und Arbeitshilfe. Erhältlich in den Ökumenereferaten. Für Paare:
Konfessionsverschiedene Ehe. Kirchliche Trauung und gemeinsamer Weg. Erhältlich im Seelsorgereferat des Erzbistums München.
(17) Familiaris Consortio, Nr. 78 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 33); ÖD 145.
(18) Siehe auch CÖ III. In einigen Diözesen können in den Ökumenereferaten Handreichungen zur praktischen Zusammenarbeit angefordert
werden.
(19) Papst Johannes Paul II., Ansprache an die Vertreter der ACK in der Bundesrepublik Deutschland in Mainz am 17.11.1980 (Verlautbarungen
des Apostolischen Stuhls Nr.25).