Veröffentlicht im Würzburger Diözesanblatt 140 (1994) Nr. 6 vom 10.04.1994
1. Seit der apostolischen Zeit feiert die Kirche den Sonntag als "Tag des Herrn". Der wöchentlich
wiederkehrende Feiertag ist wesentlich "Zeichen" für die Heilswirklichkeit der "neuen
Schöpfung", die mit der Auferstehung Christi angefangen hat und am Ende der Tage vollendet
wird.
2. In Treue zum Vermächtnis und Auftrag des Herrn "Tut dies zu meinem Gedächtnis" hält die
katholische Kirche den Sonntag heilig durch die Feier der heiligen Eucharistie. Das II.
Vatikanische Konzil sagt: "Aus apostolischer Überlieferung, die ihren Ursprung auf den
Auferstehungstag Christi zurückführt, feiert die Kirche Christi das Pascha-Mysterium jeweils
am achten Tag, der deshalb mit Recht Tag des Herrn oder Herrentag genannt wird. An diesem
Tag müssen die Christgläubigen zusammenkommen, um das Wort Gottes zu hören, an der
Eucharistiefeier teilzunehmen und so des Leidens, der Auferstehung und der Herrlichkeit des
Herrn Jesus zu gedenken" (SC 106). Die Eucharistie ist Quelle und Höhepunkt des ganzen
christlichen Lebens (LG 11). In ihr findet auch alle kirchliche Liturgie ihren Höhepunkt. Daher
sind die Katholiken verpflichtet, an Sonn-und gebotenen Feiertagen an der Meßfeier
teilzunehmen (CIC can. 1247, vgl. den Beschluß "Gottesdienst" der Gemeinsamen Synode,
speziell 2.3).
3. Neben der Eucharistiefeier als der Wort und Sakrament umschließenden Grund-und Hochform
der Liturgie der Kirche, hat es von apostolischer Zeit an immer auch Gottesdienste gegeben,
die aus Gebeten, Lesung der Hl. Schrift, Verkündigung des Wortes Gottes und Fürbitten
bestanden. Diese Form von Wortgottesdiensten greifen die ökumenischen Gottesdienste auf, in
denen Katholiken sich mit Christen, die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften
angehören, zum gemeinsamen Gebet versammeln. Solche gemeinsamen Gottesdienste sind ein
wirksames Mittel, um die Gnade der Einheit zu erflehen (vgl. Ökumenisches Direktorium
1993, n. 108). Sie sind ein Ausdruck der durch die Taufe grundgelegten Gemeinschaft in Jesus
Christus und ein Weg, der zur geistlichen Versöhnung führt. Sie bieten den
konfessionsverschiedenen Ehen die Möglichkeit, einer gemeinsamen liturgischen Feier, die
bewußt machen kann, dass sie als sakramentale Gemeinschaft "eine Art Hauskirche" sind (LG
11).
4. Ökumenische Wortgottesdienste sollten nach Möglichkeit fester Bestandteil des liturgischen
Lebens jeder Gemeinde sein. Als besondere Zeiten des gemeinsamen Gebets bieten sich unter
anderem an:
1. jene Tage, die ausdrücklich dem Anliegen der Einheit der Christen gewidmet sind: die
Gebetsoktav vom 18.-25. Januar, der Weltgebetstag der Frauen am 1. Freitag im März, die
Tage zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingstmontag. Es sollten auch besondere
schulische Anlässe, ökumenische Konferenzen, Bibelwochen u.a., desgleichen der Buß-und
Bettag in Betracht gezogen werden.
2. staatliche Feiertage, die nicht auch kirchlich gebotene Feiertage sind (z.B. 1. Mai, Tag der
Deutschen Einheit). In ökumenischen Gottesdiensten könnten an diesen Tagen Anliegen
des Staates und der Gesellschaft ebenso wie weltweite Ängste, Nöte und Sorgen fürbittend
vor Gott getragen werden.
5. Da die sonntägliche Eucharistiefeier für das christliche Leben und den Aufbau der christlichen
Gemeinde einen unverzichtbaren Wert hat, können ökumenische Gottesdienste sie nicht
ersetzen. Diese haben deshalb stets einen Ausnahmecharakter. Ökumenische Gottesdienste
dürfen nicht dahin führen, dass in einer Gemeinde an einem Sonntag keine heilige Messe
gefeiert werden kann. Die katholischen Christen dürfen durch die Teilnahme an einem
ökumenischen Gottesdienst nicht in einen Konflikt mit dem Sonntagsgebot gebracht werden.
6. Gegenüber dem Einwand, dass zahlreiche Gemeinden - bedingt durch den Priestermangel -
sich zu sonntäglichen Gottesdiensten ohne Priester, mithin zu einem Wortgottesdienst
versammeln, müssen die Ausnahmesituation, zugleich aber auch die pastorale und liturgische
Notwendigkeit solcher Gottesdienste geltend gemacht werden. Die Gemeinde ist von ihrem
Wesen und Auftrag her stets auf die Versammlung, besonders am Herrentag angewiesen, um
ihre Gemeinschaft im Glauben zu erfahren und zu bekunden, ebenso wie ihre Verbundenheit
und Einheit mit der Universalkirche. Diese werden, wenn am Sonntag keine Eucharistiefeier
stattfinden kann, vor allem in der Verkündigung, im Glaubensbekenntnis und im fürbittenden
Gebet bezeugt. Die sonntäglichen Gottesdienste ohne Priester, die an die Stelle der
Eucharistiefeier treten, haben an der katholischen Sonntagsliturgie und Sonntagsspiritualität
orientierte Feierordnungen; sie lassen sich daher so nicht als ökumenische Gottesdienste
gestalten und müssen als von der Situation erzwungene Ausnahmen angesehen werden.
7. Mancherorts hat sich bewährt, dass die verschiedenen Gemeinden bei besonderen Anlässen
zunächst je ihren Gottesdienst feiern und anschließend zu einer ökumenischen Feier
zusammenkommen. Wo dies nicht möglich ist, kann in bestimmten Fällen und aus wichtigen
Gründen ein ökumenischer Gottesdienst an Sonntagen und kirchlichen Feiertagen am
Vormittag stattfinden, dabei darf die Feier der Eucharistie nicht ausfallen. Solche Fälle und
Gründe können gegeben sein, wenn
1. Gemeinden besondere ökumenische Ereignisse begehen;
2. die politische Gemeinde ein seltenes, herausragendes Ereignis auf Ortsebene feiert. In
diesem Fall ist darauf zu achten, dass ökumenische Gottesdienste nicht von politischen
Gremien angesetzt, sondern rechtzeitig mit den Pfarrern der betreffenden Kirchen
vereinbart werden;
3. überörtliche Großveranstaltungen von besonderem Rang stattfinden.
8. Findet aus wichtigen Gründen ein ökumenischer Gottesdienst am Sonntagvormittag statt, so
muss für die Katholiken die Möglichkeit zur Mitfeier der Eucharistie an diesem Sonntag
gewährleistet sein.
9. Damit deutlich bleibt, dass die Feier ökumenischer Gottesdienste am Sonntag stets
Ausnahmecharakter hat, dürfen solche Gottesdienste nur in sehr begrenzter Zahl stattfinden.
Die Pfarrer sind verpflichtet, das Generalvikariat (Ordinariat) rechtzeitig vorher um
Genehmigung zu ersuchen.
10. Jedem ökumenischen Gottesdienst sollte ein echtes spirituelles Bedürfnis zugrundeliegen.
Andere Motive, wie zum Beispiel Verschönerung eines Vereinsfestes, kirchenfremde Anlässe
oder Konzessionen an Gruppeninteressen können solche Gottesdienste am Sonntag nicht
rechtfertigen. In jedem Falle sollten ökumenische Gottesdienste eingebettet sein in ein aktives
ökumenisches Leben der Gemeinde.
Reute, den 24. Februar 1994
Für das Bistum Würzburg
+ Paul-Werner
Bischof von Würzburg